Musiktherapie - darum geht's

Für das Mittelohr-Training wird eine Stunde Musik psychoakustisch auf die Hörfläche der Sprache  (Sprachwahrnehmbarkeit) reduziert, der Schalldruck angeglichen und der dynamic range demjenigen der menschlichen Stimme angepasst. 

Klingt einfach...

... ist es aber nicht. Angefangen bei der Musikauswahl. Wir haben uns für deutschsprachige Filmmusik aus Kinderfilmen entschieden. Diese ist sehr stimmenlastig und in der Botschaft positiv und stärkend, sowohl bezüglich der Melodie als auch des Texts. Wir haben darauf geachtet, dass die Musik für alle Generationen und beide Geschlechter angenehm bleibt.

 

Filmmusik ist sehr dynamisch und es sind Dynamikunterschiede von bis zu 20 dB festzustellen. Die Songs wurden deshalb auch in Bezug auf die Lautstärke angepasst, damit ein einheitlicher Schalldruck entsteht.

 

Dazu kommen noch die Artefakte, die beim Filtern des Audiofiles entstehen (Stichwort «Post Ringing»). Es geht nebst der Eingrenzung des Frequenzbildes darum, das Audio so angenehm wie möglich zu gestalten, ohne Resonanzen und hörbare Artefakte. Deshalb wird dem File mit Expander, Multibandkompressoren und De-Esser auf den Pelz gerückt. 

Quelle: fairaudio.de
Quelle: fairaudio.de

Und so wirkt's

Die Polyvagale Theorie von Stephen Porges beschreibt drei neuronale Kreisläufe der Adaptation, die zwar autonom ablaufen, jedoch hierarchisch organisiert sind und drei (neuronale) Verhaltensstrategien bewirken:

 

Social Engagement System SES: Das Social Engagement System ist für die Regulation des Nervensystems in unbedrohlichen Situationen zuständig und wird vom Ventralen Vagusnerv gesteuert.  Der Social Engagement System aktiviert den Neocortex und erlaubt uns die soziale Kommunikation. Mit dem Ventralen Vagusnerv verbunden sind die Gesichtsnerven, die Mittelohrmuskeln für die Stimmfrequenz sowie viele weitere Muskeln und Nerven. Weil diese Nerven miteinander verbunden sind, können wir das ganze System über die  Mittelohrmuskeln erreichen. 

 

Mobilisierung: Das sympathische Nervensystem mobilisiert bei Gefahr unsere Überlebensstrategien (Fight-or-flight-Verhalten) und setzt sich über das Ventrale Vagussystem hinweg, wenn dieses überfordert wird. 

 

Immobilisation: In lebensbedrohlichen Lagen und bei Überforderung des sympathischen Nervensystems setzt das Dorsale Vagussystem mit der Strategie der Erstarrung ein, ein System, welches wir mit allen Wirbeltieren teilen.

Quelle: autismcoach.de
Quelle: autismcoach.de

Social Engagement System

Der Ventrale Vagusnerv erhält einen Zustand aufrecht, der Gesundheit, Wachstum und Erholung erlaubt sowie die Fähigkeit zu ruhen, zu schlafen und zu verdauen. Er ermöglicht uns Gefühle von Vertrauen, Sicherheit und Liebe zu erleben und fördert das Sozialverhalten, welches uns das Überleben sichert. Ausserdem ist das SES-System verantwortlich für die Verlangsamung des Herzschlags, die Senkung des Blutdrucks und die Unterdrückung von Erregung – also die metabolischen Voraussetzungen für Wachstum und Erholung.

 

Je stärker der Ventrale Vagusnerv ausgebildet ist, desto  besser funktioniert der Mensch in seiner Lebenswelt – und desto glücklicher, entspannter und gesünder ist er.

 

Direkt mit diesem SES-Nervensystem verbunden sind die Gesichtsmuskeln (vor allem die Augenmuskeln, Obicularis Oculi) und die Mittelohrmuskeln (welche auf die menschliche Stimme reagieren und eben nicht wie in den anderen Nervensystemen hauptsächlich auf die gefahrenankündigenden hohen und tiefen Frequenzen). Auf diese Mittelohrmuskeln zielen wir nun mit einer ganz besonderen Therapie, welche die Mittelohrmuskeln massiert und sie für den Frequenzbereich der menschlichen Sprache trainiert.  Weitere verbundene Muskeln sind unter anderem im Kehlkopf und Rachen (für die Stimme) oder im Kiefer (Kaumuskeln, für die Verdauung). 

Gesichtsnerv (N. facialis), Quelle: anatomiewissen.de
Gesichtsnerv (N. facialis), Quelle: anatomiewissen.de

Musiktherapie als Mittelohr-Training

Neuesten Forschungen zufolge (siehe die Arbeiten von safe and sound protocol bei integratedlistening oder laden Sie die untenstehende Studie von Porges et al 2014 herunter) können durch das Mittelohr-Training bisher gute Erfolge bei Autismus-Spektrums-Störungen, Hochsensibilität und Schlaganfallpatienten verzeichnet werden. Weitere positive Ergebnisse bei Trauma, Regulationsstörungen, AD(H)S und weiteren Störungen sind zu erwarten. Das Mittelohr-Training ist ein spezifisches Mittelohrmuskeltraining, bei welchem während einer Woche eine Stunde pro Tag in entspannender Atmosphäre spezielle Musik gehört wird.

 

Durch das Mittelohr-Training werden auch die anderen mit dem SES-System verbundenen Muskeln gestärkt, so dass das SES-System insgesamt trainiert wird. Mit einem starken SES-System können wir synchron und reziprok auf Stimuli reagieren, wir bleiben gelassen und reagieren entspannt. 

Für das Mittelohr-Training wird Musik psychoakustisch auf die Hörfläche der Sprache reduziert, der Schalldruck angeglichen und der dynamic range demjenigen der menschlichen Stimme angepasst.  

 

Sie möchten gerne mehr über unsere Aktivitäten erfahren? https://musiktherapiefuerdeinenerven.jimdo.com